Drei Personen diskutieren

Schwarzer Montag am japanischen Aktienmarkt


Finanzmarktkommentar von Dr. Björn Ohl, Ökonom der apoBank | 06.08.2024

Auf einen Blick


  • Kurseinbrüche japanischer Aktien lösten am Montag eine Schockwelle an den Märkten aus
  • Bereits am Dienstag erholten sich die Aktienkurse in Tokio und stabilisieren die Finanzmärkte
  • Die aufgekommenen Sorgen vor einer US-Rezession halten wir fundamental für überzogen
  • Eine lange Liste von weiteren Störfaktoren spricht kurzfristig für anhaltend hohe Volatilität
  • Solides Wirtschafts- und Profitwachstum bieten weiterhin ein günstiges Umfeld für Aktien

Flucht in sichere Häfen

Die globalen Finanzmärkte befinden sich zum Beginn der neuen Handels­woche im Ausnahme­zustand. Im Fokus stehen japanische Aktien, die am Montag mehr als 12 % nachgaben und sich am Dienstag um 10 % erholten. Die historischen Kurs­verluste zum Wochen­auftakt lassen viele Markt­beobachter bereits von einem Schwarzen Montag an der Tokioter Börse sprechen.

Aber auch andernorts verbuchten die Aktien­indizes teils kräftige Rück­gänge. In Asien waren süd­koreanische Aktien fast 9 % schwächer, während die Abgaben in Indien (-3 %) und China (-1 %) geringer ausfielen. Deutsche und europäische Aktien konnten sich am Montag den negativen Vorgaben eben­falls nicht entziehen und fielen zwischen 1,5 % und 2 % zurück.


Im Gegensatz zu Aktien profitierten Staats­anleihen von der Flucht aus risiko­behafteten Anlagen in sogenannte sichere Häfen. Deutsche und insbesondere US-amerikanische Staats­anleihen verzeichneten kräftige Kurs­anstiege. Am Devisen­markt begünstigte die Flucht in sichere Häfen den Schweizer Franken und den Japanischen Yen. Der Dollar handelte in der Breite schwächer. Der Euro legte gegenüber dem US-Dollar weiter zu, blieb aber unter der Marke von 1,10 US-Dollar je Euro.

Sorgen vor US-Rezession

Bereits in der vorigen Woche verlief der Handel an den weltweiten Finanz­märkten äußerst volatil, was die derzeit hohe Nervosität der Investoren wider­spiegelt. Katalysator der heftigen Kurs­ausschläge in den letzten Handels­tagen waren eine Reihe von schwächeren US-Konjunktur­daten, die hinter den Erwartungen der Markt­teilnehmer zurück­blieben. So zeigte am Donnerstag eine Stimmungs­umfrage aus der US-Industrie eine Ein­trübung der Geschäfts­lage und am Freitag wurde ein Anstieg der Arbeits­losen­quote auf 4,3 % gemeldet. Die Arbeitslosig­keit liegt damit weiter­hin auf einem niedrigen Niveau, doch der schnelle Anstieg der Arbeitslosen­quote schürt Befürchtungen vor einer weiteren wirt­schaftlichen Ver­schlechterung.

Bei genauerem Hinsehen erweisen sich diese Daten als längst nicht so schwach, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. So war etwa der Tropen­sturm Beryl für einen wetter­bedingten und voraus­sichtlich nur vorüber­gehenden Anstieg der Arbeits­losig­keit mit­verantwortlich.

Doch in der aktuell angespannten Marktlage haben die Investoren kein Auge für solche Details. Die jüngsten Konjunktur­daten haben an den Märkten ein neues Narrativ entstehen lassen, wonach der US-Konjunktur eine raschere Abschwächung droht als bislang erwartet und das Risiko einer Rezession zunimmt. Zudem befürchten die Investoren einen Politik­fehler der US-Zentral­bank (Fed), die womöglich zu lange mit ihrer ersten Leitzins­senkung gewartet habe und nun umso kräftiger nachlegen müsse.

Unruhe wegen Rotation und Zentralbanken

Die zunehmende Verunsicherung der Anleger und eine höhere Volatilität waren nicht erst in der vorigen Handels­woche und nicht alleine aufgrund enttäuschender US-Konjunktur­daten zu beobachten. Bereits Mitte Juli setzte die sogenannte Rotation am US-Aktien­markt ein. Infolge­dessen erlitten die zuvor aufgeblähten US-Technologie­aktien teils empfindliche Kurs­rück­setzer, während die bislang vernachlässigten Aktien von klein- und mittel­kapitalisierten Unter­nehmen, sog. Small- und Mid-Caps, deutliche Kurs­anstiege vollzogen. Dieser Favoriten­wechsel an der Wall Street sorgte bereits für höhere Volatilität an den internationalen Aktien­märkten.

Eine wichtige Rolle spielten im Juli auch die großen Zentral­banken. Die etwas über­raschende Leitzins­erhöhung der japanischen Zentral­bank und deren entschlossener Aus­blick, die Geld­politik weiter zu straffen, haben die Investoren teils auf dem falschen Fuß erwischt und den Außen­wert des Yen gegen­über dem Euro und dem US-Dollar rasch steigen lassen und für Ver­werfungen gesorgt. In Europa hat die Europäische Zentral­bank im Juli keine weitere Leitzinssenkung verkündet, aber die Bank of England hat nun auch ihren Leitzins­senkungs­zyklus begonnen. Damit ist die Fed in den USA die einzige der großen Zentral­banken, die noch nicht mit einer Lockerung der Zins­politik begonnen hat. Unter Investoren verfestigt sich deshalb der Eindruck, die Fed habe den passenden Zeit­punkt für eine Leitzins­senkung verpasst und riskiere nun eine Rezession wegen eines unnötigen Politik­fehlers.

Lange Liste der Störfaktoren

Die Liste weiterer Störfaktoren für die Finanz­märkte seit Ende Juni lässt sich fort­setzen und verdeutlicht, dass eine Viel­zahl von Ent­wicklungen negativ auf die Stimmung der Investoren gewirkt hat. Zu nennen sind hier auch die Kapriolen im US-Wahlkampf seit dem denkwürdigen TV-Duell Ende Juni, gefolgt von dem Attentats­versuch auf Donald Trump, dem Aus­stieg Bidens aus dem Rennen ums Weiße Haus sowie danach dem Höhen­flug von Kamala Harris.

Im Bereich der Politik sind zudem die vor­gezogenen Wahlen in Frankreich und Großbritannien Anfang Juli sowie geo­politisch die fort­schreitende Zu­spitzung des Nahost­konflikts aufzu­führen. Und schließlich bot die Quartals­berichts­saison neben einigem Licht auch viel Schatten.

Gerade die Geschäfts­ergebnisse der großen Technologie­unternehmen konnten die Investoren nicht immer und nicht restlos überzeugen. Bereits kleinere Ent­täuschungen wurden mit heftigen Kurs­rück­setzern abgestraft. Im Fokus standen wiederum Unter­nehmen, die einen engen Bezug zur Künstlichen Intelligenz aufweisen, wie bspw. die Halbleiter­hersteller. Der Aufprall war an vielen Stellen auch deshalb so hart, weil die Rallye an den Finanz­märkten seit Ende Oktober 2023 die Kurse von Aktien, gerade aus dem Technologie-Sektor, in luftige Höhen getragen hatte. Die Anfälligkeit für eine Korrektur war wegen der teuren Bepreisung dieser Aktien und der optimistischen Positionierung vieler Anleger klar gegeben.

Unsere Hausmeinung und Strategie

Wir erachten die Rezessions­ängste am Markt für über­trieben und rechnen weiter mit einem robusten Wachs­tum der US-Wirtschaft im dritten und vierten Quartal von rund 2,5 % annualisiert.

Zuletzt legte das US-BIP im zweiten Quartal sogar um 2,8 % zu. Die Fed wird aller­dings auf die leichte Abschwächung des Arbeits­marktes und die Abkühlung der Inflation mit drei aufeinander­folgenden Leitzins­senkungen in diesem Jahr reagieren (0,25 Prozentpunkte im September, November und Dezember).

Die Unternehmensgewinne werden weiter steigen und damit den Aktien­markt stützen. In der zu Ende gehenden Berichts­saison für das zweite Quartal zeichnet sich bei den Unter­nehmen im S&P 500 derzeit eine Gewinn­steigerung gegenüber dem Vorjahr von starken 11,5 % ab. Auf den Anleihe­märkten rechnen wir nach den jüngsten Kurs­gewinnen eher mit Rück­setzern, wenn die US-Notenbank die Zins­senkungs­fantasien des Marktes nicht gänzlich erfüllt.

Wir werden daher nach Markt­lage noch stärker als bislang auf kurz­laufende US-Staats­anleihen wechseln. Regional sehen wir besonders durch die starken Abverkäufe im japanischen Aktien­markt Chancen und halten an unserer Entscheidung fest, diesen Markt von Unter­gewicht auf Neutral herauf­zustufen. Zudem wollen wir in den Ölmarkt wieder ein­steigen, nachdem der Ölpreis infolge der Rezessions­ängste deutlich gefallen ist. Das von uns erwartete robuste globale Wirtschafts­wachstum dürfte den Preis stützen. Zudem stabilisiert eine Ölposition die Portfolios im Falle einer möglichen Eskalation des Nahost­konflikts.
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