Foto von Portfoliomanagern der apoBank

Wissen, wer morgen gewinnt


Den richtigen Anlage-Mix finden


Portfoliomanager im Interview

Corona-Krise, Dieselskandal und andere Ereignisse zeigen: Was die Wirtschaft morgen bewegt, lässt sich nicht einfach vorausberechnen. Portfoliomanager stellen sich täglich dieser Herausforderung. Sie entwickeln Strategien, um Chancen und Risiken des Kapitalmarkts auszubalancieren. Ein Blick hinter die Kulissen.

Der Begriff erinnert an Zeiten, als Aktien noch auf Papier gedruckt wurden: Portfolio leitet sich her vom italienischen 'portafoglio' für Brieftasche. Traditionelle Wertpapiere, die man in Schließfächern deponiert oder gerahmt an die Wand hängt, sind heute nahezu vom Markt verschwunden. Geldanlagen werden vor allem virtuell abgewickelt und sind auf einem gewissen Niveau so komplex, dass viele Bankkunden ihre Vermögen in die Hände professioneller Portfoliomanager geben.

Clemens Berendt ist ein solcher Anlagespezialist. Dem Senior Portfoliomanager der apoBank fällt es schwer einzugrenzen, wo seine Arbeit beginnt und wo sie endet. Nachrichten, die er beim Frühstück auf dem Handy liest oder unterwegs im Radio hört, können für seine Kunden relevant sein: wenn etwa die Kurse in Asien einbrechen, der CEO eines Konzerns einen Unfall hatte oder ein Industrieskandal ans Licht kommt.

"Der Finanzmarkt steht nie still", sagt Berendt, dessen Arbeitstag damit beginnt, sich mit den anderen acht Portfoliomanagement-Kollegen auf den neuesten Stand zu bringen. Bei den Morgenmeetings geht es nicht nur um überraschende Ereignisse, sondern auch um fixe Termine im Finanzkalender, Tagungen der Notenbanken beispielsweise. "Wir diskutieren, ob sich ein unmittelbarer Handlungsbedarf ergibt, trennen Wichtiges von Unwichtigem", so der Experte.

Kurzfristige Anpassung ist eher die Ausnahme

Mit nervösem Day-Trading habe diese Arbeit jedoch nichts zu tun, betont Timo Steinbusch, Leiter des apoBank-Portfoliomanagements: "Wir beobachten vor allem die mittel- und langfristigen Entwicklungen, die für die strategische Ausrichtung unserer Anlagen bedeutsam sind." Stehen etwa politische Entscheidungen mit großer Tragweite bevor, wie der Brexit oder die US-Präsidentschaftswahlen, planen die Portfoliomanager verschiedene Szenarien. Zeichnet sich eine neue Entwicklung ab, kann es ratsam sein, die Portfolios der Kunden anzupassen.

Teilweise werden große Volumina bewegt, die den Markt beeinflussen können. "Wir verwalten Anlagen im Wert von über 4,3 Milliarden Euro. Wenn wir zum Beispiel ein größeres Paket abstoßen, müssen wir einen Weg finden, es marktschonend zu platzieren", erklärt Clemens Berendt. Kunden profitieren davon, dass die Bank große Summen in die Waagschale werfen kann und über ein Netzwerk von Marktpartnern Konditionen erzielt, die einzelnen Investoren nicht geboten werden.

Gesundheitstitel: gezielte Auswahl statt Bauchgefühl

Heilberufler gelten als eher sicherheitsorientierte Anleger - aus Sicht des Spezialisten ein Argument für professionelle Unterstützung. "Typisch für Privatkunden ist ein so genannter Home Bias: Sie bevorzugen Anlagen in heimische Unternehmen und in Sektoren, in denen sie sich auskennen. Bei unseren Kunden ist das eben die Gesundheitsbranche", erläutert Berendt. "Wir betrachten dagegen den Gesamtmarkt und verfolgen einen Best-in-Class-Ansatz. Gesundheitstitel und -fonds werden nur Teil des Portfolios, wenn sie hohe Anforderungen erfüllen."

Ähnlich differenziert betrachten die Manager nachhaltige Anlagen - ein Thema, das immer mehr Kunden am Herzen liegt. "Nachhaltige Produkte haben im Portfoliomanagement schon immer eine Rolle gespielt, wir gehen damit aber nicht dogmatisch um. Bis auf wenige Ausnahmen schließen wir einzelne Branchen als Anlageziele nicht pauschal aus, sondern vergleichen einzelne Unternehmen. Man muss Firmen die Chance geben, sich nachhaltig zu entwickeln; das geht nicht, wenn man sie vom Kapital abschneidet", so Timo Steinbusch.

Blick in die Zukunft - mehr als Mathematik

Wenn die Portfoliomanager Anlagen zusammenstellen, stützen sie sich auf eigene Analysen und Prognosen ihrer Kollegen aus dem Bereich Investment Research. Um Chancen und Risiken zu bewerten, kommt es nach Berendts Einschätzung nicht nur auf finanzmathematisches Können an, sondern auch auf die persönliche Erfahrung.

"Wir haben Spezialisten im Team, die Expertise in Aktien oder in Anleihen besitzen. Hinzu kommt eine gute Mischung der Altersgruppen. Unsere Kollegen bringen zwischen drei und 30 Jahren Berufserfahrung mit." Oftmals kennt sich die jüngere Generation mit Trendthemen besser aus, etwa der Digitalisierung. Ältere Kollegen haben dafür schon unterschiedliche Zinsregime und Krisen miterlebt, etwa das Platzen der 'Dotcom-Blase' im Jahr 2000 oder den 'Schwarzen Montag' 1987. In Konferenzen geht es laut Timo Steinbusch schon einmal kontrovers zu: "Wir diskutieren Strategiefragen aus und treffen unsere Entscheidungen stets im Team."

Trend zu volatileren Anlagen

Im Konsens entwickeln die Kollegen auch verschiedene Produktlinien weiter, Aktienkörbe aus Einzeltiteln etwa, oder andere, die ausschließlich Fonds enthalten. Eine passende Mischung für jeden einzelnen Kunden stellen Berater in den Filialen gemeinsam mit den Portfoliomanagern der Zentrale zusammen. "Die Kollegen kontaktieren uns direkt, wenn sie Rat brauchen", sagt Steinbusch. "Bei komplexeren Anlagen kommen wir auch selbst zum Kundengespräch dazu." Die Experten erwarten, dass Kunden in Zukunft noch mehr Beratung benötigen, denn die Ertragsaussichten konservativer Anlagen sinken voraussichtlich weiter.

"Es ist offen, welche Richtung die Weltwirtschaft nach der Corona-Pandemie nehmen wird. Vieles spricht dafür, dass sich die Zinssituation weiter verschärft. In Europa haben wir bereits negative Zinsen, die USA bewegen sich auf die Null-Linie zu", gibt Berendt zu bedenken. Wer eine gute Rendite anstrebe, müsse auch alternative, teils volatilere Produkte in Betracht ziehen. "Das ist zurzeit eine der großen Herausforderungen für uns und unsere Vertriebskollegen: neue Portfolios zu erarbeiten, mit denen sich auch sicherheitsorientierte Kunden wohlfühlen."


Das Interview wurde im September 2020 geführt - zu den Personen:

Clemens Berendt
(44) ist Bankkaufmann, Betriebs- und Volkswirt mit über 15 Jahren Erfahrung im Vermögensmanagement. Seit 2007 verantwortet er als Senior Portfoliomanager der apoBank unter anderem klassische Anlage-Produkte für institutionelle Investoren und Privatkunden.

Timo Steinbusch (39) leitet das zentrale Portfoliomanagement der apoBank in Düsseldorf und entwickelt unter anderem die Wertpapierstrategie weiter. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann spezialisierte er sich auf Vermögensberatung und erwarb berufsbegleitend einen wirtschaftlichen Bachelor of Science. Bei der apoBank ist Steinbusch seit rund neun Jahren tätig.