Medizinstudierende im Corona-Einsatz


Freiwillig gegen Corona: Studierende im Klinik-Einsatz


Tausende Medizinstudenten als Notfallhelfer in den Krankenhäusern: Als die Corona-Pandemie auch in Deutschland begann, sahen viele den ärztlichen Nachwuchs im Dauereinsatz auf den Stationen. Über Plattformen wie match4healthcare meldeten unzählige Studierende sich für freiwillige Einsätze. Weil die große Katastrophe bislang zum Glück ausblieb, kommt allerdings nur ein Teil der Hilfswilligen zum Zug. Wir haben mit dreien von ihnen gesprochen.

Ich habe mich um die COVID-Patienten gekümmert

Kay-Matthias Thomy, 30 Jahre alt, studiert in Düsseldorf Medizin im dritten Studienjahr und engagiert sich in der Fachschaft seiner Fakultät. Als ausgebildeter Krankenpfleger arbeitet er parallel auf der Intensivstation eines Düsseldorfer Klinikums - und hat dort in den vergangenen Monaten auch Covid-Patienten versorgt.


"Ich hatte wegen der Pandemie einfach meine Stundenzahl in der Klinik aufgestockt. Bei den Kommilitonen, die keine Krankenpflegeausbildung haben, funktionierte das nicht - obwohl sich in Düsseldorf viele für einen Klinik-Einsatz gemeldet hatten, duften sie bislang nicht unterstützen. Bei uns auf der Intensivstation habe ich mich dann gleich viel um die Covid-Fälle gekümmert. Auch, um Kollegen mit Kindern zu entlasten und diejenigen, die selbst zu einer Risikogruppe gehören.

Die meisten Covid-Erkrankten auf der Station müssen beatmet werden, das ist schon schrecklich zu sehen. Es ist auch für die Ärzte gar nicht so einfach, zum Beispiel eine Lungen-Spülung bei diesen Patienten durchzuführen. Zum Glück haben wir aber ausreichend Schutzausrüstung hier in der Klinik. Nur bei den Visieren gab es zwischendurch einen Engpass, die haben wir uns mithilfe eines Laminiergeräts dann selbst gebastelt.

Wie Stimmung hier in den letzten Monaten war? Es herrschte eine angespannte Erwartungshaltung, viele von uns waren eher besorgt wegen der Lockerungen. Noch ist der große Ansturm ausgeblieben – aber was passiert, wenn tatsächlich eine zweite Welle kommt? Interessanterweise hat die Krisensituation uns im Team aber sehr zusammengeschweißt. Das Krankheitsbild war für alle neu, da lernt man jeden Tag etwas dazu. Ich habe mich intensiv eingelesen zu Beginn. Fachlich ist es ja sehr spannend, in kurzer Zeit so tief in Immunologie, Physiologie und zum Beispiel die Atemmechanik einzusteigen. Inzwischen habe ich meine Stundenzahl aber wieder heruntergefahren, weil Prüfungen anstehen.

Zu Familie und Freunden habe ich Abstand gehalten

"Der Uni-Betrieb lief im Sommersemester ja ausschließlich online, das hat sogar relativ gut funktioniert. Schwierig ist es in Fächern wie Mikrobiologie und Infektiologie, in denen man eigentlich Laborpraktika hat. Dass es keine Präsenzveranstaltungen gab, hat auch zu finanziellen Problemen bei vielen Kommilitonen geführt: Ihre Tutoren-Jobs liegen momentan auf Eis. Und weil die Kliniken kaum Werksstudenten einstellen, konnten sie diese Verluste kaum über medizin-nahe Jobs kompensieren. Ich bekomme eltern-unabhängiges BAföG, insofern bin ich noch recht gut dran. Zumal der zusätzliche Verdienst in der Corona-Zeit jetzt überhaupt nicht mehr aufs BAföG angerechnet werden soll.

Aber klar, verzichten musste ich auch: Zu Familie und Freunden habe ich in den vergangenen Monaten Abstand gehalten. Dabei hätte ich zum Beispiel den Sohn, den einer meiner Kommilitonen vor kurzem bekommen hat, wirklich gerne gesehen. Mit meinem direkten Kontakt zu Covid-Patienten hatte ich aber einfach ein erhöhtes Infektionsrisiko, da wollte ich niemanden in Gefahr bringen."

Wir wurden mit Anfragen überflutet

Cara Berschin, 21 Jahre alt, studiert Zahnmedizin im achten Semester an der Universität Gießen und ist Vorsitzende der Fachschaft:

"Anfang März ging es für mich los als Helferin an der Uniklinik. Dort setzt man uns in verschiedenen Bereichen ein. Erstens am sogenannten Covid-19-Checkpoint. Das war zunächst eine Anlaufstelle am Haupteingang für Patienten, die Fragen haben oder die Symptome aufweisen. Inzwischen screenen wir am Checkpoint Patienten, die mit dem Rettungsdienst hereinkommen. Wir befragen sie nach einem Kriterienkatalog und entscheiden, wer sich testen lassen sollte oder ob jemand einweisungspflichtig ist. In dem Fall bringen wir die Person auf die Corona-Station. Für die Klärung braucht man unbedingt Leute mit Fachwissen und klinischer Erfahrung. Ob man Human- oder Zahnmedizin studiert, ist dabei unerheblich.

Unsere zweite Aufgabe war bis vor kurzem, bei internen Tests zu unterstützen. Mitarbeiter der Uniklinik, die getestet werden sollten, haben bei uns einen Anmeldebogen ausgefüllt, und wir haben sie in ein separates Gebäude zur Betriebsärztin gebracht. Wir mussten dafür sorgen, dass sich nicht zu viele Leute gleichzeitig anmelden und immer genug Masken und Schutzkleidung vorhanden waren. Mittlerweile wird die Mitarbeiter-Testung anders organisiert. Dann gibt es für uns Studierende noch eine Art Türsteher-Job bei der Blutbank. Einer von uns sitzt dort, befragt die Blutspender zu ihrem Infektionsrisiko und misst ihre Körpertemperatur. Auch dort darf es im Raum nicht zu voll werden."

Wenig Sorgen um die Ausbildung

"Wir sind über 50 Helfer. Eine von uns macht die Dienstpläne, so dass ich immer genug Stunden zugeteilt bekomme und mitreden kann, was und wann ich arbeite. Ich ersetze so meinen Ferienjob in einem Geschäft für Wohnaccessoires, der wegen Corona weggefallen ist. Wir werden sehr fair bezahlt. Auch die Einarbeitung lief gut. Ein Oberarzt aus der Infektiologie hat uns die Abläufe erklärt und eine erfahrene Studentin hat uns an die Hand genommen. Im Vergleich zu März ist es deutlich ruhiger geworden, vor allem am Checkpoint. Am Anfang sind wir mit Anfragen überflutet worden und mussten die Schichten zu zweit machen. Jetzt reicht eine Person. Mir gefällt die Arbeit in der Blutbank inzwischen besser, weil man da mehr zu tun hat.

Seit März hatten wir vor allem Onlinevorlesungen, die nicht mit dem Job kollidierten. Ich muss da ein großes Lob aussprechen: Obwohl unsere Uni technisch nicht sehr modern ist, hat das mit den Onlinevorlesungen in den zahnmedizinischen Fächern super gut geklappt bislang – als Fachschafterin höre ich das auch von anderen Semestern. Die Kommilitonen machen sich wenig Sorgen um ihre Ausbildung. Seit Juni gab es dann wieder Präsenzlehre an Phantomköpfen. Es wurde ein Hygienekonzept entwickelt. Wer trotzdem nicht teilnehmen mochte, musste kein Urlaubssemester nehmen und hat den Kursplatz im nächsten Semester sicher."

Das war ein toller Einblick in den Krankenhausalltag

Jule Stobrawe, 22 Jahre alt, war seit Anfang April am Klinikum Bamberg als Werksstudentin im Einsatz. Sie studiert im vierten klinischen Semester Medizin an der Universität Erlangen-Nürnberg:

"Als es mit Corona losging, war ich noch als Famulantin in einer gynäkologischen Praxis in Lichtenfels. Dort kamen natürlich immer weniger Patientinnen, gerade die Schwangeren waren ziemlich verunsichert und hatten viele Fragen. Die größte Herausforderung war, ausreichend Schutzausrüstung für die Praxis zu bekommen. Nach der Famulatur habe ich mich dann bei der Sozialstiftung Bamberg gemeldet, um in der Klinik mitzuhelfen. Praktischerweise ist sie ein Lehrkrankenhaus unserer Uni, das lief alles ganz unkompliziert. Wir waren in meiner Gruppe zwölf Medizinstudenten, verteilt auf drei Stationen, direkten Kontakt zu Covid-Patienten hatte aber keiner von uns.

Anfangs war ich in der interdisziplinären Notaufnahme im Einsatz. Die Kollegen dort haben uns nett empfangen, wussten aber zuerst nicht recht, wie sie uns einsetzen sollen. Deshalb haben wir erst einmal eine Liste darüber erstellt, wie wir konkret unterstützen können: zum Beispiel bei der Anamnese, beim Erfassen der Vitalparameter oder bei den Aufklärungsgesprächen.

Was ich gut fand: Wir haben sofort passende Kleidung bekommen und einen PJler-Zugang ins IT-System der Klinik, damit wir selbst Daten eingeben können. Man hat schon gespürt, dass die Patienten Angst vor einer Ansteckung hatten, laut den Kollegen war weniger los als sonst in der Notaufnahme. Wer kam, hat sich meist an die Regeln gehalten, es gab aber auch Leute, die einfach sofort durch alle Absperrungen rennen wollten. Für mich war das wirklich ein toller Einblick in den Krankenhaus-Alltag."

Die Doppelbelastung auf sich zu nehmen ist nicht selbstverständlich

"Zwischendurch waren wir dann für kurze Zeit in der Stroke Unit im Einsatz. Weil die Klinik dann langsam in den Normalbetrieb zurückkehrt ist, hat man uns schon nach einer Woche dort zur Unterstützung auf die IMCO geholt, die operative Intensivstation. Ich fand es insgesamt gut, wie die Klinik das organisiert hat: Sie haben uns Werksstudenten sehr bewusst schon früh an Bord geholt, damit wir uns einigermaßen auskennen, falls tatsächlich noch ein großer Ansturm von Covid-Patienten kommt. Meine Uni-Veranstaltungen konnte ich ganz flexibel online abrufen. Anfang Juli war mein Klinikeinsatz dann beendet. Falls die Doppelbelastung zu viel geworden wäre, hätten man uns aber auch früher gehen lassen, das war beruhigend.

Nur eines hat mich ein bisschen irritiert: dass manche Leute es für völlig selbstverständlich halten, dass Medizinstudenten in der Krise ihr Studium hintenanstellen und in die Kliniken gehen. Von meinen Eltern habe ich auch gehört, dass einige nörgeln, Krankenpfleger und Mediziner hätten sich in den Medien in den Mittelpunkt gedrängt. Ich helfe wirklich gerne mit - aber solche Stimmen sind schon ärgerlich."

August 2020